Der Asperger Blog
Mein Leben im Autismus Spektrum

Weihnachtszeit


Der Dezember war immer ein besonderer Monat. Die Menschen kamen näher zusammen. In der Stadt poppten zahlreiche Weihnachtsmärkte auf. In den Radios wurde Last Christmas in gefühlter Dauerschleife gespielt. Die Supermärkte wurden immer voller, für 3 freie Tage wurde eingekauft als stünden mehrmonatige Hungersnöte bevor.
Die Menschen, die mir sonst schon sehr hektisch erschienen, wurden noch hektischer und mit dieser Hektik erhöhte sich auch der Stress für mich.

Kurzum, vor ein paar Jahren war der Weihnachtsmonat für mich eher stressig als schön. Unentspannt, auf eine gewisse Art gezwungen und oberflächlich schön, während es darunter brodelte.

Die Familie kommt zusammen

Vor meiner Zeit bei PEM gab es in meiner Familie weit aus mehr Streit. Dies war zwar von der Jahreszeit unabhängig, jedoch hat es sich im Dezember immer noch gesteigert.

Die Außenwelt wurde gleichzeitig menschlicher, aber auch viel hektischer. Ebenso wie meine Familie. Das Haus wurde mit jeder Menge Dekoration geschmückt, es wurde ein riesiger Baum aufgstellt. Diesen musste ich nach den Vorgaben meiner Familie so milimeter genau ausrichten, dass darüber jedes Jahr erneut Streit entstand.

Mich hat das ganze „gezwungene“ gestört. Bis heute verstehe ich nicht, warum an Weihnachten Familien zusammen kommen, die ansonsten auch nicht viel mit einander zu tun haben. Dann kommt noch die kulturell erwartete Fröhlichkeit und Friedlichkeit hinzu. Das alles wirkte auf mich immer so falsch und unehrlich. Dennoch ist es in vielen Menschen so tief verankert, dass sich viele Menschen freiwillig jedes Jahr erneut in diese Schlacht begeben.

Weihnachten mit Freunden

Gerade in den letzten 2 Jahren hat sich meine Wahrnehmung der Weihnachtszeit stark verändert.

Als ich mich selber weiterentwickelt habe, musste ich bewusst Abstand zu meiner Familie nehmen. Damit die Beziehung zu meiner Familie sich neu- und ebenfalls weiterentwickeln konnte.
Auf die Thematik werde ich in einem separaten Beitrag noch einmal genauer eingehen.

Durch diesen Abstand habe ich dann auch das erste Mal Weihnachten komplett außerhalb der Familie mit Freunden verbracht.
Wir haben gemeinsam gegessen, gesungen und uns über die ruhige Zeit gefreut. Es gab stundenlange Gespräche, Filme wurden gemeinsam angesehen und es war eine vollkommen andere Atmospähre als ich es gewohnt war.

Der Stress und die Erwartungen der Welt, der vorher durch meine Familie nur noch stärker in dieser Zeit auf mich eindrang, blieb vollkommen vor der Tür. Wir erschufen unsere eigene Zeit, ohne Stress und Hektik, in der einfach das Genießen des Zusammenseins im Vordergrund stand.
Ab dieser Erfahrung wurde die Weihnachtszeit für mich etwas, auf dass ich mich freute, das mir half zu entspannen und eine Zeit in der ich die Ruhe und das Beisammensein genießen konnte.

Plötzlich war all der Stress und die Hektik für ein paar Tage vollkommen verschwunden, was eine wunderschöne Erfahrung ist.

Tradition versus eigene Wahl

Wenn ich heute Menschen davon erzähle, dass ich in einer Woche kurz meiner Familie frohe Weihnachten wünsche und dann zu meinen Freunden fahre, werde ich meistens sehr unverständig angesehen.

Für viele ist es schwer sich vorzustellen, dass Weihnachten auf eine andere Art gefeiert wird, als die, welche durch Kultur oder Tradition tief verankert ist.
Das ich selber gewählt habe, diese Zeit auf eine Weise zu verbringen die mir Ruhe bringt und die ich genießen kann, wird oft als Frevel angesehen, da „man sowas ja nicht macht“. Man feiert mit der Familie. Das es andere Möglichkeiten gibt, scheint unvorstellbar und fast schon ein Verrat dieses Festes zu sein.

Für mich fühlt es sich überhaupt nicht so an.
Ich feiere in diesem selbstgewählten Rahmen weil es für mich besser ist. Es belastet mich nicht und ich muss mich nicht davon erholen, sondern kann es genießen. Darüber freut sich auch meine Familie.
Die Beziehung zu meiner Familie ist neu entstanden und für beide Seiten sicherlich gesünder und dies bringt Veränderungen mit sich, die aber nicht schlimm sind, weil der Kern der Beziehung ein Besserer ist.

Von der Weihnachtszeit zum Leben

Mit dieser Einstellung gehe ich auch viele andere Dinge im Leben an.
Besonders wenn ich verschiedene Dinge oder Wege suche wie etwas getan werden. Mir ist dann egal ob man es bereits auf eine bestimmte Art tut. Ob es traditionell bzw. kulturell gesetzt ist oder der gute Ton und Umgang es verlangt.

Wenn etwas verbessert werden kann und durch beispielsweise eine vollkommen andere Herangehensweise zu einem besseren Endergebnis für alle Seiten führt, dann ist es wichtig es zu versuchen und zu tun.
In meinen Augen gehört Entwicklung zum Leben dazu. Wir lernen dazu, entwickeln uns und die Art wie wir Dinge angehen weiter und erschließen dadurch neue Wege und Verbesserungen, die vorher nicht erreichbar waren.

Ich werde oft gefragt, wie ich so viele Dinge in solch verglichen kurzer Zeit erreichen kann. Persönlich würde ich sagen, dass es an dieser Art von mir liegt außerhalb des „normalen und bereits bekannten“ zu denken und zu handeln. Ich suche neue Wege für mich und andere Menschen und versuche ehrlich und ernsthaft etwas zum Besseren zu verändern, egal, was oder wer sich mir in den Weg stellt oder mich versucht dafür fertig zu machen.
Und ich habe Menschen um mich, die es genauso tun.

Durch meine Art Dinge anzugehen ist die Weihnachtszeit von der stressigsten Zeit in den meisten Jahren meines Lebens zu der entspanntesten Zeit geworden. Sie ist nun eine Zeit, in der ich reflektieren kann und vielleicht den ein oder anderen neuen Gedanken und Weg finde oder ein neues Projekt ersinne.

Es lohnt sich im Leben nach Weiterentwicklung zu streben und Veränderungen eine Chance zu geben.

Ich wünsche euch allen eine schöne Weihnachtszeit und hoffe, dass ihr diese so verbringen könnt, wie es für euch am Besten ist!

Aaron

Aaron

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