Der Asperger Blog
Mein Leben im Autismus Spektrum

Jahresrückblick und Ausblick 2019/2020


Es ist 0:03, ein neues Jahr, eine neue Dekade. Zeit für einen Jahresrückblick 2019.

Ich sitze im PEM Center in Hamburg, genieße die Ruhe und den sehr gedämpften Lärm der Feuerwerkskörper von draußen. Eigentlich feiere ich nie groß Silvester. Eher in einem privaten oder sehr überschaubaren Rahmen, was für mich vollkommen in Ordnung ist. Die Flut an Geräuschen von explodierenden Feuerwerkskörpern ist mir dann doch etwas zu viel und ein Stress Faktor, dem ich für mich gerne aus dem Weg gehe.

Trotzdem bietet sich die Ruhe nach den ebenfalls sehr gemütlichen Weihnachts Feiertagen dafür an, über das vergangene Jahr, die vergangene Dekade nachzudenken und über neue Ziele.

Da es jeglichen Rahmen eines Blogbeitrages sprengen würde zu beschreiben, was sich in der vergangenen Dekade bei mir alles entwickelt und verändert hat, beschränke ich mich in diesem Beitrag auf das letzte Jahr und seine Highlights.

Aufregung und Angst am Start

Der Beginn des Jahres 2019 war für mich gefühlsmäßig sehr gemischt.
Mein Buch, meine Biografie war fertig geschrieben, lektoriert und näherte sich langsam der Veröffentlichung.
Dadurch war ich sehr aufgeregt und gleichzeitig hatte ich auch Angst.

Das Schreiben meines Buches hat sehr viel mit mir gemacht, ich habe sehr viele Situationen wieder erneut durchlebt, die alles andere als schön waren.
Ich habe um das zu kompensieren stark an Gewicht zugenommen und wusste absolut nicht, wie die Welt auf meine Lebensgeschichte reagiert.
Es gibt keine Fiktion daran, nur ehrliche Erlebnisse und mein ehrliches Empfinden, meine Erfahrungen, mein Leben.
Und es gibt auch Menschen die nur auf Schwächen warten, um sich darauf zu stürzen, für die solch eine vollkommene Offenheit eine Gelegenheit ist, tief zu treffen.
Es war meine Entscheidung das Buch so und auch so offen zu schreiben wie es ist und dazu stehe ich, dennoch kam die ein oder andere Angst hoch sich in der Öffentlichkeit derart durch ein Buch zu entblößen.

Trotzdem überwog die Aufregung und Vorfreude.
Ich war super zufrieden damit, wie das Buch geworden ist. Wie es mich, meine Ansichten und Erfahrungen wiederspiegelt und wiedergibt.
Die Hoffnung, anderen Menschen dadurch helfen zu können war groß und jeder Mensch dem es helfen würde, wäre jedes Risiko wert gewesen.
Und so verliefen der Start und die ersten Monate des Jahres gemischt für mich, jedoch mit wachsender Vorfreude.

Die Veröffentlichung meiner Biografie

Nach den ersten Monaten voller Gedanken und Erinnerungen ging dann alles auf einmal sehr schnell. Es wurde ein wunderschöner Buchtrailer gedreht. Diverse Fernsehteams waren da, interviewten und filmten mich.
Redakteuren von Zeitungen kamen um mit mir zu sprechen. Das Buch erschien, ich hielt meine ersten Lesungen und kam kaum dazu das alles, was plötzlich gleichzeitig geschah, wirklich zu erfassen.

Ich hatte mit allem gerechnet, hatte mir durch Ängste sehr viele Reaktionen ausgemalt und auch den ein oder anderen hoffnungsvollen Gedanken, dass es doch helfen könnte.
Aber mit der Realität hätte ich niemals rechnen können.

Es ist selbst jetzt – viele Monate nach dem 1. April und der Veröffentlichung – schwer, die schiere Masse an positiven Rückmeldungen zu erfassen und zu verarbeiten.
Autisten, Angehörige, Familien, Fachkräfte, NTs, Jung und Älter, gaben mir positives Feedback und nicht nur Feedback, sondern sagten, dass Buch habe für sie etwas positiv verändert, ihnen Hoffnung gegeben, sie aufgeklärt oder dergleichen mehr.

Diese Anerkennung ist schön und die Reaktionen berühren mich sehr und was sich daraus ergibt hat das Potenzial noch mehr zu bewegen.
Ich bin allen Menschen dankbar, die mir etwas zurück gaben.
Oft wusste ich auch nicht, wie ich damit umgehen soll. Ich habe tatsächlich vorher nicht darüber nachgedacht, sondern immer nur im Blick gehabt, was es für andere Menschen tun kann.

Mittlerweile geht es besser, ich kann Energie für das was ich tue aus diesen Rückmeldungen ziehen, um noch mehr zu tun. Kann weitere Wege gehen und neue Dinge ausprobieren und damit mehr Menschen unterstützen, es ist ein schöner Kreislauf.
Und ich bin dankbar für die Menschen, die uns und unsere Arbeit unterstützen.

Rotary Convention im Sommer

Im Sommer 2019 fand dann die internationale Rotary Convention in Hamburg statt.
Mit Rotaract und Rotary verbindet mich und mein Projekt eine besondere Beziehung. Diese Menschen waren mit die ersten, denen ich meine Vision und mein Projekt, damals im vollkommenem Anfangsstadium vorgestellt habe. Gleichzeitig waren es auch mit die ersten Menschen, die mir so viel positives Feedback gaben, mich ermutigt und es weitererzählt haben und so dafür sorgten, dass es wachsen konnte und keine bloße Idee oder ein kleines Projekt blieb.

Neben dem PEM Team sind die Menschen von Rotaract und Rotary diejenigen, die mich inspirieren und die mir Mut gaben auch das schwer Mögliche zu versuchen.
Aus diesem Kontakt kam dann für uns auch ein Stand auf der internationalen Convention zustande. Mit meinem Projekt.
Hierfür haben wir eine Projektpräsentationsmappe erstellt.

Weiterhin konnte ich dort vor mehreren hundert Menschen aus meinem Buch vorlesen und mein Projekt auf einer Bühne vorstellen. Und unsere Musik hat mehrfach die Bühne des House of Friendship mit ihren Klängen erfüllt.

Den Stand und vieles was die Convention anbelangt habe ich zusammen mit einem sehr netten und hilfsbereiten Rotaractler geplant, besprochen, organisiert und dann mit dem Team durchgeführt.
Das war eine spannende Erfahrung und auch etwas, was viel Zeit in Anspruch genommen hat – neben den normalen täglichen Aufgaben.

Das Ergebnis war eine wunderschöne Messe mit tollen Menschen und einem internationalen Weg unser Projekt vorzustellen.
Zusätzlich noch unsere Musik, meine Lesung, mein Buch und unser Interview mit Prof. Tony Attwood.

Es ergaben sich spannende Gespräche und viel Interesse an der Thematik Autismus und an Unterstützungsmöglichkeiten.

Unser Projekt wurde als eines von drei aus über hundert Projekten ausgewählt, gewürdigt und unterstützt. (Zum Video)
Ich freue mich schon jetzt im März wieder bei Rotaract zu sein.

Neue Wege

Nach der Rotary Convention und der Nachbereitung der Messe, nach den Lesungen im Sommer und der Buchveröffentlichung kam ein deutlich gesteigertes Interesse an unserem Projekt, an der PEM Methode und unserer Arbeit auf.

Vieles begann von selbst neue Entwicklungen hervorzubringen, ohne dass ich aktiv andauernd kämpfen musste.
Zusätzlich dazu fanden mit dem Buch und der Convention zwei Große Zusatzprojekte ihren Abschluss und PEM Autism, mein Hauptprojekt brauchte weniger dauerhaftes Kämpfen.
Von zwei Jahren andauerndem Tempo 180 ging es sehr plötzlich auf Tempo 30.

Dieser krasse Wechsel kam so überraschend und plötzlich, dass er mich ein paar Wochen komplett aus der Bahn warf.
Ich fühlte mich mitunter schon etwas nutzlos, weil ich plötzlich so wenig zu tun hatte.
Die Entwicklungen sind toll und auch dass sie von selbst kommen, für mich bedeutete dies neue Wege und Ziele zu suchen.

In diesen Wochen entschied ich mich dazu, die bisherigen Ergebnisse und Fortschritte dafür zu verwenden, noch mehr zu tun.
Ich fing an Hochschulen zu kontaktieren, Lehrinstitute für Fachkräfte, Schulen und dergleichen mehr um mehr aktive Aufklärung zu betreiben.

Zu versuchen verschiedene Seiten zusammen zu bringen und für einander zu sensibilisieren um eine positive Entwicklung für alle daraus hervorzubringen.
So kamen die ersten Vorträge und Diskussionen an Universitäten zustande.
Gleichzeitig trainierte ich selbst mehr und widmete mich meiner neu entdeckten Liebe zur Musik.

Ausblick für 2020

„Gute Vorsätze“ für das neue Jahr nehme ich mir keine.
Stattdessen habe ich Ziele, die ich angehe und weiterführende Visionen die ich für mich und andere Menschen verfolge.

Ich werde meinem neuen Blog definitiv viel Zeit widmen und versuchen oft Beiträge zu schreiben.
Meine musikalische Ausbildung werde ich ebenfalls sehr zielstrebig verfolgen.
Auch mein Gewicht werde ich angehen, das ist im Grunde für mich aber auch nur eine Frage der Disziplin und Umgewöhnung.
Und auch Privat in der Zwischenmenschlichen Ebene gibt es eine sehr schöne Entwicklung, die auf jeden Fall vertieft wird.

Mein Projekt PEM Autism werde ich weiter ausbauen, neue Kooperationspartner suchen, weitere Lesungen organisieren, in andere Städte fahren und Vorträge an Universitäten und in anderen Einrichtungen halten. Viel tun, um für eine Welt zu kämpfen, in der jeder Mensch seinen Platz hat, so wie er ist und in der Diversität ein Zugewinn ist und ein wichtiger Bestandteil der gesellschaftlichen Entwicklung.

Weniger Spaltung, mehr gemeinsame Erfolge und Entwicklungen auf Augenhöhe.
Als Menschen verbunden und nicht durch Unterschiede kategorisiert, gespalten und getrennt.
Ich freue mich über jede Unterstützung auf diesem Weg.

Kommt gut ins neue Jahr!

Aaron

Aaron

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