Der Asperger Blog
Mein Leben im Autismus Spektrum

Barrieren im Leben


Jeder Mensch ist anders, hat einen eigenen Lebensweg und aus diesem ergeben sich individuelle Herausforderungen und Barrieren im Leben.
Wenn ich darüber nachdenke, welchen Barrieren ich in den 29 Jahren meines Lebens, vor allem durch meinen Autismus begegnet bin, fallen mir sehr viele ein.

Zu meiner Freude begleiten mich manche nicht mehr in meinem Leben. Andere jedoch sind immer noch präsent und durch mich als Einzelperson nur schwer oder nur in meinem näheren Umfeld veränderbar.
Viele von den „immer noch präsenten“ Barrieren sind zum großen Teil auf das gesellschaftliche Bild von Autisten zurückzuführen. Sie zeigen sich in vielen alltäglichen Situationen im Umgang und der Kommunikation mit anderen Menschen.

Über diese Barrieren will ich in diesem Beitrag schreiben.

Barrieren im Alltag

Im Alltag begegne ich diesen Barrieren immer wieder, besonders in der Kommunikation mit anderen Menschen.

Durch mein Buch ist es nun kein Geheimnis mehr, dass ich Autist bin und für jeden, alleine durch eine Google Suche meines Namens, leicht herauszufinden.
Meine Entscheidung war, damit offen umzugehen und ich denke noch immer, dass dies die richtige Entscheidung ist.
Trotzdem ist es oft verletzend, wie ablehnend andere Menschen reagieren können, nur aufgrund von dieser Information.

Wenn ich beispielsweise neue Menschen kennenlerne, ist sofort eine deutliche Unsicherheit spürbar, wenn sie wissen, dass ich Autist bin.
Wahlweise werde ich dann wie ein rohes Ei, ein nuklearer Kern oder dergleichen behandelt. Es scheint, als wäre es schlagartig unwichtig, was für ein Mensch ich bin, welche Interessen ich habe oder die anderen Gemeinsamkeiten über die sich Menschen kennenlernen.
Meine „Behinderung“ steht dann an erster Stelle und mit ihr all die Dinge, die der jeweilige Mensch zu wissen glaubt und somit gleichzeitig auf mich projeziert.
Diese Projektion gepaart mit Unwissenheit und Unsicherheit verhindert dann meist jedes nähere Kennenlernen.
Die Schublade „Autist“ wurde geöffnet, ich reingepresst und danach wurde sie verschlossen, ohne dass ein weiteres Anpassen dieses Bildes durch das, was mich wirklich ausmacht, möglich wäre.

Von der Partnersuche möchte ich gar nicht erst anfangen. Mir ist bisher kaum ein Mensch begegnet, der sich vorstellen kann, dass sich Autismus und Sexualität bzw. Beziehungführung nicht gegenseitig ausschließen müssen.
Selbst wenn klar ist, dass ich auch als Autist ein sehr erfüllendes Beziehungs- und Sexualleben haben kann, ist beim Kennenlernen potentieller Partnerinnen ab dem Moment Schluss mit jeglichem Kennenlernen oder sich annähern, in dem meine Autismus Diagnose ins Bewusstsein der Person dringt.

Barrieren bei der Arbeit

Bei meiner Arbeit direkt habe ich das große Glück, solche Barrieren intern gar nicht zu haben.
Hier zeigt sich für mich die Realität, wie sie ein könnte. Wie es ist, wenn ich als individueller Mensch wahrgenommen werde und meine Stärken zählen. In einer Umgebung, wo Autismus positiv und als Zugewinn gesehen wird statt defizitär.

Was intern im PEM Center perfekt funktioniert, ist extern manchmal umso schwieriger.
Zum Beispiel dadurch, dass ich keine zwei Persönlichkeiten, eine für die Arbeit und eine für mein Privatleben besitze. Sondern einfach bin, wie ich bin, egal in welchem Rahmen ich mich bewege.

Bei Treffen mit Leitungsebenen von Firmen, Professoren oder ähnlichem bin ich genauso ich selbst, wie sonst auch.
Ab einer gewissen Hierachiestufe ist dies auch ein ausgesprochen großer Vorteil, da wird direkte und ehrliche Kommunikation honoriert und gewünscht.
Auf anderen Ebenen ist dies für Menschen nicht denkbar oder nicht mit ihrer Weltwahrnehmung vereinbar.

Barrieren bei Autismus „Spezialisten“

Ich wurde am Anfang meines Projektes mal von einem Vorstandsvorsitzenden eines Autismus Verbandes angesprochen. Dieser meinte, mein Projekt und die Wirkung der PEM klänge zu schön um wahr zu sein.
Gleichzeitig merkte ich an der Art, wie er mit mir sprach, dass er mich vordergründig als Autisten sieht. Jedoch konnte er den Schluss nicht ziehen, dass ich das Projekt als Autist eher genauso darstellen würde wie es ist.

So ähnlich war es auch bei Ämtern, Therapeuten oder anderen Kontaktstellen, mit denen ich durch den Aufbau meines Projektes in Berührung kam.
Wenn es gebraucht wurde, wurde meine Diagnose genutzt, um sich über mich zu stellen. Gleichzeitig wurde konsequent alles ignoriert, was dazu führen würde, dass eine Zusammenarbeit entstehen kann, die produktiver wäre eben weil ich Autist bin.

Zusätzlich dazu wurde ich immer viel in Schubladen gesteckt. Diese wurden selbst von Menschen, die es besser wissen sollten, nicht hinterfragt.
Selbst wenn mein Projekt und die PEM Methode zu gut klingen um wahr zu sein warum wird dies nicht einfach überprüft. Das kam hingegen nicht ein einziges Mal vor.

Diese sich im Ablauf immer wiederholenden Begegnungen führten irgendwann dazu, dass ich mich schlecht gefühlt habe, weil ich für andere Menschen etwas Gutes bewirken wollte. Als Konsequenz habe ich diese Zusammenarbeitsversuche nicht weiter verfolgt. Da es nicht um Veränderung oder Verbesserung ging, sondern meiner Meinung nach, nur ein Grund gesucht wurde beim „Alten“ bleiben zu können und mich und meine Ambitionen gleichzeitig nieder zu machen, um sich dabei gut zu fühlen.

Schubladendenken, jedoch inkonsequent

Wenn wenigstens das dauerhafte, in „Schubladen gesteckt werden“ konsequent funktionieren würde, wäre dies ja schon ein trauriger, aber kleiner Anfang auf den man aufbauen könnte. Jedoch zeigt sich die Inkonsequenz dessen schon bei den allgemeinen Merkmalen, die man Autisten oft zuschreibt.

Nehmen wir als Beispiel die Fähigkeit nicht zu lügen bzw. direkt und ehrlich zu sein.
Zum einen stimmt es so nicht ganz, denn auch ich kann lügen, es ist nur sehr anstrengend für mich. Und warum sollte ich es tun?
Würde dieser Teil der Schublade aber konsequent gedacht werden, würde nicht so viel Misstrauen herrschen, würden manche Zweifel – die lange brauchen bevor sie (wenn) überhaupt kommuniziert werden – nicht erst entstehen oder sich schneller ausräumen lassen.

Genauso ist es bei vielen anderen Dingen, die durch ein nebulöses, doch eher negatives gesellschaftliches Bild über Autisten angenommen werden.

Mein Lösungsansatz

So wie es aktuell aussieht scheint es mir, als könne ich als Autist in manchen Bereichen des Lebens nur verlieren.
Weder werde ich als individuelle Person wahrgenommen, noch wird das Schubladendenken konsequent genug angewandt, so dass darüber Korrekturversuche unternommen werden können.

Das Bild in der Gesellschaft wird von den Menschen gestaltet, die Autisten oder Autismus in der Gesellschaft darstellen und vertreten. Das sind meiner Meinung nach nur leider viel zu wenige Autisten. Viel zu wenige die Autismus nicht nur defizitär betrachten. Zu wenige, die die individuellen Menschen und Ihre vielen Stärken sehen und dieses Bild über Autismus auch in der Öffentlichkeit und Gesellschaft kommunizieren.

Das fällt jedoch nicht nur Autisten auf, sondern auch der Gesellschaft.
In den letzten Monaten erlebe ich ein stärker werdendes Interesse daran, ein positives, aktuelles und akkurates Bild über Autismus zu erlangen.
Zum Beispiel von Eltern, Angehörigen, Zeitungen, Universitäten, Ämtern oder selbst Menschen die mit Autismus vorher keine Berührungspunkte hatten, die sich anfangen ehrlich dafür zu interessieren, wie es in Wirklichkeit ist.

Ich sehe dieses Interesse als große Chance dafür, die vielen Stärken und die Individualität und Lebensrealität von uns aufzuzeigen und dadurch mit der Zeit aus diesem Schubladendenken auszubrechen.

Sowas kann durch Vorträge, Aufklärung und dergleichen im Kleinen und durch anderes, was mehr Menschen erreicht, im Großen bewirkt werden.
Ich für meinen Teil werde mich bestmöglichst bemühen, weiter Wege zu finden, diese Entwicklung voranzubringen.

Aaron

Aaron

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